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„Kill your darlings!“

Wie kommt man auf gute und wirklich originelle Ideen? Was tun, wenn man in eine Sackgasse gerät? Wo kann Inspiration herkommen? Wie mit Feedback und Kritik umgehen? Rechtzeitig zum Endspurt verrät euch Marty Lamers im Interview einige Erfolgsrezepte.


Es sind nur noch zwei Wochen bis zum Abgabetermin für unsere House of Textile Teilnehmer. Wie ist die Stimmung bei Ihren Studenten in Eindhoven, wenn ein Abgabetermin bevorsteht? Haben dann alle schon ihre Ideen gefunden?

„It ain’t finished, until its finished.“ Im Endspurt herrscht nervöse Stimmung. Die Stimmung wird „scharf“. Ich erkläre meinen Studenten immer wieder, dass sie sich bis zum letzten Moment den Kopf frei lassen sollen, dass bis zum letzten Moment noch Richtungen entstehen können. 

Wenn man offen bleibt, kommen auch zum Schluss noch richtig gute Sachen. Natürlich müssen die Studenten lernen, gut zu arbeiten, aber ich sage immer: „Kill your darlings“, auch wenn man sechs Monate dran gearbeitet hat und es dann natürlich besonders schwer ist, loszulassen.


Gibt es Tipps für den Endspurt, die sich bewährt haben? Was tun, wenn man gerade das Gefühl hat, in einer Sackgasse zu stecken?

Auf keinen Fall bei Null anfangen. Meist genügt der Blick zurück, und schon tut sich die Lösung auf. Auf dem Weg in die Sackgasse steckt meist mehr als eine Möglichkeit, eine andere Richtung einzuschlagen.


Wie stark beeinflussen Sie selbst den Prozess der Ideenfindung?

Das System in Eindhoven ist etwas anders. Wir sind eine „Akademie“ – keine Uni, keine Fachhochschule. Wir steuern, bremsen, begeistern den Prozess, aber wir sind so zurückhaltend, dass wir keine eigenen Ideen einbringen. Wir begleiten die Examensstudenten bei der Ideenfindung und im Prozess; die Studenten müssen aber die Schöpfer der Ideen sein. Wir geben viele verschiedene Meinungen in Richtung der Studenten, denn wir wollen, dass sich die Studenten an anderen Perspektiven „reiben“. Es ist oft verwirrend, wenn von verschiedenen Seiten die eigene Arbeit in Frage gestellt wird, aber nur so kann man sich der eigenen Überzeugung gewahr werden. Manchmal regen wir auch an, die Idee jemandem zu erzählen, der mit dem Projekt noch nichts zu tun hatte. Wir Niederländer sind sehr offen und direkt – auch, wenn wir Kritik äußern. Wir stellen uns immer in Frage und sind nicht so schnell zufrieden. Wir haben viele internationale Studenten, z.B. asiatische oder amerikanische Studenten, die uns mit einer ganz anderen Kultur begegnen. Das ist nicht nur spannend, sondern für die Studenten z.B. aus den USA irritierend, da dort erst einmal alles großartig ist.


Wie kommt man eigentlich überhaupt auf Ideen, auf die vorher noch keiner gekommen ist?

Das ist eine schwierige philosophische Frage. Was ist Originalität? Junge Studenten sind oft sehr belastet. Sie werden seit ihrer Geburt mit Lawinen von Internet-Informationen überschüttet. So entsteht manchmal Angst vor der Vielfalt des Wissens. Sie schotten sich ab und schaffen sich eine eigene Blase, obwohl Referenzen – also der Blick in Richtung Kunst, Mode, Architektur, das Leben, die persönliche Erfahrung und Geschichte – oft eine gute Grundlage für eigene Ideen sind. Daher regen wir an, keine Scheuklappen anzulegen, um Ideen, Inspiration zu erhalten. Das soll nicht heißen, dass es früher – vor den digitalen Medien – leichter war, Ideen zu entwickeln, aber es war anders. Meine Generation ist analog groß geworden und kann sich die positiven Seiten der digitalen Medien zunutze machen. Die heutigen Studenten sind digital groß geworden und müssen ihren Weg finden, sich die analoge Welt zunutze zu machen.


Können Sie uns verraten, was Sie von Ihren Studenten erwarten?

Das Wichtigste ist, dass die Idee persönlich ist. Intuition und Selbstsicherheit müssen stimmen. Intuition ist verletzbar. Studenten müssen mit ihrer Verletzbarkeit umgehen lernen. Sie dürfen sich nicht selbst zum eigenen Feind werden – keine Selbstzensur. Sie müssen die kritische und die eigene sich lobende Stimme in Balance bringen. Dann entsteht Leidenschaft.


Verfolgen Sie den Blog? Wenn ja: Was hat Sie am meisten interessiert?

Ich scheue mich, den Blog zu verfolgen. Ich bin als Designer auch nicht frei von Sympathien und sehe meine Aufgabe eher darin, mir möglichst frei und offen die Ergebnisse anzuschauen.

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